Zurecht wird die Un-triebigkeit der Gulag-Insassen angeprangert. Dabei hätte ich letzte Woche die Chance auf echten Enthüllungsjournalismus gehabt. Und hab es dann doch lieber bleiben lassen. Warum, ist eigentlich auch eine nette Geschichte:
Alles begann, wie so oft im Schwabengulag, beim kollektiven Vespern mit den lieben Kollegen. In der Mittagspause hatte ich ein paar flapsige Kommentare zum Ende von HP fallen lassen, der sich sein Namenskürzel übrigens nicht nur mit einer Druckermarke sondern auch mit unserem
Muggel-Personaler teilt. Ich also, "HP tut dies und läßt das und am Ende passiert jenes". Wobei ich eigentlich nur im Feuilleton bereits diskutierte Vermutungen wiedergab. Trotzdem wäre ich beinnahe auf dem Scheiterhaufen geendet - wohl auch, weil sich Harry-Potter-Begeisterung und Feuilleton-Lektüre nicht immer treffen.
Man muss dazu wissen, dass ich von meiner Stiefgroßmutter väterlicherseits ein Talent zum Wahrsagen geerbt habe. Früher legte ich meinen Freundinnen gerne mit einem Skat-Blatt die Karten und die Ergebnisse konnten sich sehen lassen. Was nicht so schwer ist, sondern nur eine konsequente Beachtung von Murphy's Law erfordert - z.B. Boys will be boys, mit bösen Vorahnungen erwartete Klassenarbeiten sind tatsächlich verhauen, Betrunken ist man meistens peinlich und Zigaretten machen Krebs. Kurz die Welt ist nicht gerecht und schon gar nicht dann, wenn sich die eigenen Optionen auf die Positionierung einer Herzdame reduzieren - in Relation zu Kreuz-As (Friedhof, gaaanz schlimmes Ereignis!), dem Herzbuben ("aktuelles Objekt der Begierde", meist umringt von anderen Damen - oder Buben) und irgeneiner 10, ich glaube Karo, die was mit Geld zu tun hatte. Die Pik-Dame war "falsch" und die Könige "stellten was vor", ein Lob, das meine Großmutter sonst für
Franz Josef Strauss reserviert hatte.
Grundzutat zwei für erfolgreiches Wahrsagen esteht darin, hinterher unverblümt zuzugeben, dass man alles frei erfunden hat. Je heftiger die Beteuerung, umso tiefer der Glaube. Sollten die Christen mal probieren und ihre Mannschaft mit "Gott ist tot"-T-Shirts ausstatten. So ähnlich lief, wie gesagt, auch meine Karriere als HP-Prophetin. Je mehr ich beteuerte, von nix zu wissen, umso wütender wurde der Vesper-Mob. Als sich schließlich noch ein Kollege in die Forderung verstieg, Potter-Raubkopierer sollten mindestens 5 Jahre Einzelhaft in einer Zelle mit seinem Namensvetter Christian Klar verbringen (oder so ähnlich) dämmerte mir, dass
Susanne Gaschke in der ZEIT ein bisschen daneben liegt, wenn sie die global praktizierte Harry-Potter-Lektüre als Siegeszug des politischen Liberalismus deutet.
So kam es dann, dass ich den Rest des Arbeitstages damit verbrachte, eine Raubkopie von Harry Potter Band Sieben im Netz aufzuspüren und durchzulesen. An dieser Stelle dem Einsanner herzlichen Dank. Als Lipperin mit Qualheimat Schwaben finde ich es immer toll, wenn es im Netz Sachen für umme gibt. Jedenfalls wußte ich schon drei Tage vorher ALLES. Und doch habe ich mich in lebenserhaltendes Schweigen gehüllt. "ein pieps und auf magische Weise werden Deine Haare weg gezaubert mit dem Scherenzauberstab" - so wurde ich per E-Mail von unserem Kollegen Chris bedroht, der sich über Nacht anscheinend in einen rechtschreibschwachen Potter-Hooligan verwandelt hatte.
Auf der
Webseite von JKR findet sich das Emerson-Zitat: "Jedes verbrannte Buch erleuchtet die Welt". Ja, wer weiß...?
stefanie - 23. Jul, 09:20