Geklimper-Gedanken
Wenn schwäbische Bildungsbürgertöchter nicht gerade Terroristin werden, spielen sie Klavier. Das funktioniert anscheinend gut als Substitut. In meiner Hausgemeinschaft krieg ich das dann auch immer schön live mit, beim Häuslebau gab's Schallbrücken wohl im Sonderangebot. Eigentlich stört mich das Geklimper nicht, ich bin recht stolz auf meine Unempfindsamkeit gegenüber Geräuschkulissen. Ich denk also nicht beim ersten Ton: "Die sollte man in Stammheim erschießen", nö, fänd ich jetzt echt übertrieben. Neulich aber war ich zwei Tage krank und tagsüber zu Hause statt im Büro und da... beschloss ich, wieder gesund zu werden.
In meinem Elternhaus wiederum wurde über nichts so böse gelästert (und das will einiges heißen) , wie über das Lehrerehepaar von nebenan, die mit ihren Söhnen die Tradition der Hausmusik pflegten - gerne bei geöffneter Terassentür, damit die Wohlklänge ihren Weg in die Gärten und Ohren und letzlich wohl auch in die Herzen der Nachbarn finden sollten. Ich habe nie einen Jungen geküsst, der Klavier spielt.
Mein Neffe Felix, der ungefähr halb so groß ist wie Birgits Neffe Felix und jetzt in die erste Klasse geht, fing letztes Jahr an, ein Instrument zu lernen - meine Schwester, sonst sehr laissez-faire, steht in Sachen Musik auf Früherziehung. Ich fände ja zum Beispiel auch eine nicht-die-Tante-vors-Schienenbein-treten Früherziehung gar nicht verkehrt, aber, da hat meine Schwester schon recht, man muss die Talente des Kindes entdecken und fördern. Also ein cooles Instrument statt gutes Benehmen - "so kriegt er später sicher reihenweise Mädels", dachte ich mir und freute mich für meinen Neffen schonmal im Voraus. Ziemlich exakt solange bis ich hörte, dass er sich für das Schifferklavier begeistert. Ein Akkordeon hatte bis vor kurzem in meinen Augen die Sexyness einer Briefmarkensammlung.
Weit gefehlt, wie ich inzwischen weiss. Denn meine Vorurteile sind keineswegs so eingefleischt, dass mich Schwaben nicht eines Besseren belehren könnte, Lifelong Ländle Learning!
Gestern war ich nämlich zu Gast im Blauen Salon, einer der nettesten Tübinger Kneipen mit den längsten Öffnungszeiten und billigsten Bierpreisen. Die Marke mit der "lustigen bierfrau" drauf wird aber nicht verkauft, aus politischen Gründen. In der landeseigenen Rothaus Brauerei hat sich nämlich der Herr Schäuble, ehemaliger Innenminister von Ba-Wü, den Chefsessel gesichert. Sowas findet man nicht gut im blauen Salon, wo ein Karl Marx Porträt von der Wand streng auf die Getränke der Gäste am Tresen blickt. Naja, vielleicht liegt's am Familiennamen?
Wie auch immer, getrunken hab ich dann halt irgendein Bier mit einem nichtssagendenEtikett, gesehen und gehört wurdeJason Webley. Der listet, wie ich gerade merke, Tübingen allerdings nicht in seinen Tourdaten. Scheint ihm wohl unangenehm zu sein. Jetzt ists aber raus, dank unseren investigativen Gulag-Methoden!
Jason Webley trägt einen schicken Hut und spielt abwechselnd Gitarre, Akkordeon und eine Plastikflasche mit Steinen drin. Dazu stampft er ganz fest mit dem Fuß auf - dafür hätte mein Neffe auch Talent!
Mir hat der Abend so gut gefallen, dass ich gleich eine CD mit nach Hause genommen habe. Neben so schönen Songtiteln wie "Goodbye Forever Once Again" brillieren die Texte durch einfache Wahrheiten: "If God wanted us sober, he'd knock this cup over" (...mehr zu Schwaben und "Reljon" denächst in Eurem Gulag!)
Ein weiteres positives Erlebnis zum Thema Klavier war der Kinofilm "vier Minuten", den ich Sonntag (als ich beschlossen hatte, wieder gesund zu sein) in Stuttgart im Kino Delphi sah, wo die Getränke übrigens sehr teuer sind. Dafür hat mir der FIlm gefallen, dank Annette Focks ist die Schlussmusik das Beste an einem auch sonst prima Streifen.
Fazit: Mit dem richtigen Hut und wenn's nicht zu lange dauert, find ich (Schiffer-)Klavier jetzt total gut! Wenn ich also einen Kalvierspieler treffen sollte, könnte ich ihm das Innencover meiner neuen Webley-CD namens Counterpoint zeigen. "Show me the way home", steht da.
In meinem Elternhaus wiederum wurde über nichts so böse gelästert (und das will einiges heißen) , wie über das Lehrerehepaar von nebenan, die mit ihren Söhnen die Tradition der Hausmusik pflegten - gerne bei geöffneter Terassentür, damit die Wohlklänge ihren Weg in die Gärten und Ohren und letzlich wohl auch in die Herzen der Nachbarn finden sollten. Ich habe nie einen Jungen geküsst, der Klavier spielt.
Mein Neffe Felix, der ungefähr halb so groß ist wie Birgits Neffe Felix und jetzt in die erste Klasse geht, fing letztes Jahr an, ein Instrument zu lernen - meine Schwester, sonst sehr laissez-faire, steht in Sachen Musik auf Früherziehung. Ich fände ja zum Beispiel auch eine nicht-die-Tante-vors-Schienenbein-treten Früherziehung gar nicht verkehrt, aber, da hat meine Schwester schon recht, man muss die Talente des Kindes entdecken und fördern. Also ein cooles Instrument statt gutes Benehmen - "so kriegt er später sicher reihenweise Mädels", dachte ich mir und freute mich für meinen Neffen schonmal im Voraus. Ziemlich exakt solange bis ich hörte, dass er sich für das Schifferklavier begeistert. Ein Akkordeon hatte bis vor kurzem in meinen Augen die Sexyness einer Briefmarkensammlung.
Weit gefehlt, wie ich inzwischen weiss. Denn meine Vorurteile sind keineswegs so eingefleischt, dass mich Schwaben nicht eines Besseren belehren könnte, Lifelong Ländle Learning!
Gestern war ich nämlich zu Gast im Blauen Salon, einer der nettesten Tübinger Kneipen mit den längsten Öffnungszeiten und billigsten Bierpreisen. Die Marke mit der "lustigen bierfrau" drauf wird aber nicht verkauft, aus politischen Gründen. In der landeseigenen Rothaus Brauerei hat sich nämlich der Herr Schäuble, ehemaliger Innenminister von Ba-Wü, den Chefsessel gesichert. Sowas findet man nicht gut im blauen Salon, wo ein Karl Marx Porträt von der Wand streng auf die Getränke der Gäste am Tresen blickt. Naja, vielleicht liegt's am Familiennamen?
Wie auch immer, getrunken hab ich dann halt irgendein Bier mit einem nichtssagendenEtikett, gesehen und gehört wurdeJason Webley. Der listet, wie ich gerade merke, Tübingen allerdings nicht in seinen Tourdaten. Scheint ihm wohl unangenehm zu sein. Jetzt ists aber raus, dank unseren investigativen Gulag-Methoden!
Jason Webley trägt einen schicken Hut und spielt abwechselnd Gitarre, Akkordeon und eine Plastikflasche mit Steinen drin. Dazu stampft er ganz fest mit dem Fuß auf - dafür hätte mein Neffe auch Talent!
Mir hat der Abend so gut gefallen, dass ich gleich eine CD mit nach Hause genommen habe. Neben so schönen Songtiteln wie "Goodbye Forever Once Again" brillieren die Texte durch einfache Wahrheiten: "If God wanted us sober, he'd knock this cup over" (...mehr zu Schwaben und "Reljon" denächst in Eurem Gulag!)
Ein weiteres positives Erlebnis zum Thema Klavier war der Kinofilm "vier Minuten", den ich Sonntag (als ich beschlossen hatte, wieder gesund zu sein) in Stuttgart im Kino Delphi sah, wo die Getränke übrigens sehr teuer sind. Dafür hat mir der FIlm gefallen, dank Annette Focks ist die Schlussmusik das Beste an einem auch sonst prima Streifen.
Fazit: Mit dem richtigen Hut und wenn's nicht zu lange dauert, find ich (Schiffer-)Klavier jetzt total gut! Wenn ich also einen Kalvierspieler treffen sollte, könnte ich ihm das Innencover meiner neuen Webley-CD namens Counterpoint zeigen. "Show me the way home", steht da.
stefanie - 14. Feb, 14:03