Religion

Sonntag, 13. Mai 2007

Sonntag bei den Eltern

Natürlich liegt mir nichts ferner, als mich über meine Eltern zu beschweren. Das stünde mir auch gar nicht zu und wäre zutiefst undankbar, schließlich wohne ich aus freien Stücken in ihrem Haus. Bei Lichte besehen ist es auch eine ziemlich bequeme Angelegenheit: Ich muss mich nur in Ausnahmefällen an Hausarbeiten beteiligen, mir wird kein Kostgeld abgezogen und kleinere Gefallen, wie einen Brief zur Post zu bringen, oder ein Kleidungsstück in die Reinigung, werden mir stets bereitwillig abgenommen.

Zudem wäre es gefährlich, an dieser Stelle allzu negativ über die Beiden abzulästern, weil diese rüstigen Rentner bekanntermaßen nicht nur auf Teneriffa sondern auch im Internet unterwegs sind. Streng genommen ist es auch gar nicht so, dass sie mich stören würden, es sind mehr ihre Angewohnheiten. Heute Vormittag beispielsweise schallte eine nervenzehrende Arie durchs Haus - in ohrenbetäubender Lautstärke! Verkehrte Welt, dachte ich mir, normalerweise stören sich doch eher Eltern am Musikgeschmack ihrer Kinder. Grade als ich dachte, ich hätte es hinter mir, folgte die Übertragung eines Gottesdienstes im Deutschlandfunk...

Dazu kommt mir eine Anekdote in den Sinn, die auch für die Leser/innen des Schwabengulag interessant sein könnte, drückt sie doch - zumindest teilweise - das Festhalten an Traditionen im Schwabenland aus: Eines Sonntags war Martin zu Besuch in Balingen. Wir saßen noch zum Frühstück am Küchentisch, der Gottesdienst ertönte aus dem Radio, als meine Mutter zum Telefon schlich. Durch die offene Küchentür konnten wir das Gespräch dennoch gut mitverfolgen. Wir begriffen schnell, dass sie mit dem Vikar der Gemeinde aus der besagter Gottesdienst übertragen wurde, verbunden war. Zuallererst eröffnete sie dem Herrn, dass sie mit der Kirche herzlich wenig am Hut habe und mittlerweile nur noch alle Jubeljahre ein Gotteshaus von innen betrachten würde. Gleichwohl wären ihr bestimmte Grundsätze einfach wichtig, z.B. die Art und Weise wie das „Vater Unser“ gebetet wird. In der Übertragung hatte sich der Pfarrer da wohl eine Extratour raus genommen. Meine Mutter war jetzt ganz schön in Fahrt gekommen: "Was glaubt denn eigentlich der Klugscheißer, will der jetzt neue Sitten einführen?“ Wenn man dem Bericht meiner Mutter Glauben schenkt, war der Vikar ganz ihrer Meinung und wollte die Beschwerde postwendend weiter leiten. Jedenfalls kam Mutti bester Stimmung zurück in die Küche, ignorierte unsere verwunderten bis konsternierten Mienen geflissentlich und bereitete uns wie immer ein leckeres Mittagessen.

Jetzt singt grade Hans Albers "Good bye Johnny" im Wohnzimmer und tröstet mich ein wenig: "Bricht mir auch heut das Herz entzwei, in hundert Jahren ist alles vorbei."

Freitag, 4. Mai 2007

Verpetzen Verboten

Mein Bruder, der anlässlich des Hermannslaufs mal wieder daheim in Bielefeld war, hat bei dieser Gelegenheit aus dem Nähkästchen seiner Kindheitserinnerungen geplaudert. Passend zum RAF-Jubiläum fiel ihm wieder ein, wie unsere Mutter damals kommentierte, dass Christian Klar im Sachsenwald verhaftet wurde, weil eifrige Pilzesammler ihn an die Polizei verpfiffen hatten. "Das hätte ich nie gemacht!" Der Klar wäre zwar unsympathisch, aber so eine Menschenjagd sei eben auch nicht richtig. Diese Argumentation würde zwar Wolfgang Schäuble nicht überzeugen, zeugt aber doch von christlicher Barmherzigkeit. Womit wir dann bei Harald Martenstein wären. Ob der nun den Klar verpetzt hätte, ist uns nicht bekannt, aber Barmherzigkeit findet er gut und von daher sollte man Leute wie Albert Speer und Christian Klar ruhig mal zum Tee einladen, so oder so ähnlich schreibt er in seiner Kolumne. An soviel Nachsicht könnten sich doch die schwäbischen Lehrer ruhig mal ein Beispiel nehmen!

Mittwoch, 25. April 2007

Papst schafft Vorhölle ab - Schwabengulag bleibt!

Im Schatten der breiten Berichterstattung über den rhetorischen Höllenritt des Herrn Oettinger und die zunehmende Fettleibigkeit der Deutschen - beides urschwäbische Themen (als schlanker Nordostdeutscher hätte ich mir gewünscht, Schwaben wäre in der europäischen Dicken-Hitliste als eigenes Land geführt worden!) - ist ein Thema aus der vergangenen Woche nahezu untergegangen: Der Papst hat den Limbus, die Vorhölle, abgeschafft, in der nach bisheriger katholischer Vorstellung die armen ungetauften toten Kinder schmoren mussten.
Zwar musste man sich den Limbus als gemäßigte Hölle ohne Teufel und größere Qualen vorstellen, aber die Nähe Gottes war dort auch nicht zu spüren. Es war ein Ort, an dem quasi eine große Koalition aus Teufel und Engeln herrschte. Im Gegensatz zum Fegefeuer, in dem selbst gläubige Katholiken zum Zwecke der Läuterung und Vorbereitung auf das Paradies eine begrenzte Zeit ausharren müssen, galt der Limbus als ein Ort, aus dem es kein Entrinnen gab.
Als Begründung für die Abwicklung dieses größten Krippenplatzes wurde unter anderem die große Zahl abgetriebener Kinder genannt. Wie sich die Entscheidung des Papstes auf die Entwicklung bei den Abtreibungen auswirken wird und ob die "Taufquote" jetzt sinkt (das ist die betriebswirtschaftlich-protestantische Bezeichnung für den prozentualen Anteil eines Altersjahrgangs, der getauft ist), ist im Moment noch Gegenstand lebhafter Diskussion.
Auch wohin die vielen Kinder, die bisher im Limbus schmorten, verlegt werden, war nirgendwo zu erfahren. Am Ende kommen sie vielleicht alle in den Schwabengulag?

Freitag, 6. April 2007

Faschtenzeit

Mehr noch als Weihnachten ist Ostern das Fest, das urschwäbische Tugenden – oder Untugenden, je nach Sichtweise – zutage fördert. Mit seiner Gemengelage aus katholischem Brimborium und protestantischer Verzichtsethik trifft der Osterkult den Nerv der Schwaben – und spiegelt so auch die religiöse Zerrissenheit des Schwabenlandes mit seinen eng beieinander liegenden katholischen und evangelischen Sprengseln ganz gut wider (um noch einmal auf den gestrigen Post zurück zu kommen: eine wichtige Voraussetzung für das Papstamt brachte Herr Filbinger – neben seiner Mitgliedschaft in einer NS-Organisation in der Jugend – immerhin mit: er war katholisch!).
Nahezu alle Aspekte des Schwabentums finden sich im Osterfest: Vom Autofasten als einer modernen Adaption war in den letzten Tagen bereits zu hören; aber auch das Erben (über dieses Thema wird an dieser Stelle in näherer Zukunft gesondert zu sprechen sein) kommt vor, denn unzweifelhaft hatte der Tod des Herrn Jesus auch materielle Folgen; Bausparverträge – der Herr Jesus war Zimmermann! Sparsamkeit: er verzichtete beim Transport des Kreuzes auf mechanische Hilfsmittel. Vereinzelt ist sogar die Meinung zu hören, dass der Begriff „Kehrwoche“ sprachlich aus der Karwoche hergeleitet werden kann.
Womit das Zentrum des Osterkults angesprochen wäre: Die Leiden des Herrn Jesus und die Folgen, die die Gläubigen daraus ableiten. An erster Stelle ist der Verzicht zu nennen, der sich im Fasten äußert. 40 Tage dauert die Fastenzeit (wobei ich beim genauen Nachzählen auf ein paar Tage mehr gekommen bin). Sie beginnt am Aschermittwoch und dauert bis Ostern. Nach Eingeständnis der Kirche bereiten sich die Gläubigen damit auf die Auferstehung des Herrn Jesus von den Toten vor – ein Ereignis, das sich mit vollem Magen offenbar schwer ertragen lässt.
Verboten sind in dieser Zeit vor allem Fleisch und Wein. Eine Mahlzeit am Tag ist immerhin erlaubt, wobei der Sonntag eine Ausnahme bildet. Dann darf gevöllt werden. Nach modernerer Lesart sind nur noch der Aschermittwoch und der Karfreitag strenge Fasttage.
Die Schwaben – Cleverles von jeher – hatten allerdings schon früher ihre Strategien im Umgang mit religiösem Fundamentalismus entwickelt: Die Erfindung der Maultasche ist eine Antwort auf allzu rigide Verbote: Schließlich sieht der Herrgott (und selbsternannte irdische Erfüllungsgehilfen) nicht, dass sich innen eine Fleischfüllung befindet. Eine weitere Regel besagt, dass Speisereste, die sich zu Beginn der Fastenzeit noch in Zahnritzen befinden, hinterher runtergeschluckt werden dürfen. Das ist nicht ganz im Sinne moderner Vorstellungen von Mundhygiene – doch Hauptsache, man weiß sich zu helfen, gell?

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